Sommer.Frische.Kunst in Bad Gastein: Andrea von Goetz im Interview

Andrea von Goetz & Doris Höhenwarter

Wenn Orte ihre alte Bestimmung verloren haben, dann kann man sie abreißen – oder mit neuen Ideen füllen. So wie das Kraftwerk am Wasserfall in Bad Gastein. Dort arbeiten nun jeden Sommer Künstler. Im Rahmen der sommer.frische.kunst. Eine leuchtende Erfolgsgeschichte, die in die Stadt ausstrahlt. Und weit darüber hinaus.

In jeder Stadt hinterlässt das Fortschreiten der Zeit nutzlos gewordene Orte. Und manchmal genügt ein wenig Fantasie als erster Funke, um ihnen schon bald neuen Nutzen und Schönheit einzuhauchen. In manchen magischen Städten gelingt das besonders gut – in Bad Gastein etwa. Ein wunderbares Beispiel ist das Kraftwerk am Wasserfall. Schon 1914 lieferte es den Strom für die Lüster und Lampen im mondänen Bad Gastein. Später wurde es nicht mehr benötigt und verfiel in einen Dornröschenschlaf.

Dass aus der Ruine wieder buchstäblich ein Ort voller Energie geworden ist, das hat auch mit Andrea von Goetz zu tun. Sie hat als künstlerische Leiterin die „sommer.frische.kunst“ in die alten Mauern einziehen lassen: Das Kraftwerk bietet nun mit einer Künstlerresidenz jeden Sommer Platz für kreative Geister aus aller Welt, die hier, in der einzigartigen Luft von Bad Gastein, Atelierräume, Zeit und Inspiration für ihre Arbeit finden – und sie auch den Gasteinern und Touristen zugänglich machen.

David Baum, Andrea von Goetz & Doris Höhenwarter (TVB Bad Gastein)

So bringt das Kraftwerk wieder ein neues Leuchten in die Stadt. Das mittlerweile weit über Österreichs Grenzen hinaus ausstrahlt. Die „sommer.frische.kunst“ und das dazugehörige Artist In Residence-Programm „kunstresidenz“ sind in den neun Jahren ihres Bestehens zu einem Begriff in der Kunstszene geworden. Auch, weil freier Raum mit neuem Leben gefüllt und ein längst verlassener Ort wieder in die Gegenwart geholt wurde.

Wie alles angefangen hat, warum es letztlich auf dem Weg zum Ziel doch etwas mehr als nur eine Idee gebraucht hat, und wie sie sich die Zukunft des sfk Festivals und der Künstlerresidenz vorstellt, das hat Andrea von Goetz im Interview erzählt. Aber lest selbst:

Von der Großstadt in die Berge – immer mehr Städter zieht es nach Bad Gastein. Erzähl’ uns, wie und wann bist du auf Bad Gastein aufmerksam geworden? Wir sind das erste Mal 2007 nach Bad Gastein gekommen. Damals, um Verwandte zu besuchen, die als Münchner Filmleute noch das alte Bad Gastein mit Glanz und Gloria kannten und aus diesem Grund immer noch eine kleine Wohnung in Böckstein hatten. Bei einem Spaziergang haben wir im Museumsdorf ein altes Haus entdeckt, das zu kaufen war. Da wir alle passionierte Skifahrer sind, haben wir nicht lange überlegt und zugeschlagen. Innerhalb von drei Jahren haben wir die alte Pension Barbara saniert und zu unserem Zuhause gemacht. Dass es dann irgendwann mein Arbeitsort sein würde, hätte noch niemand gedacht. Das ist auch für meine Familie manchmal nicht so einfach, da ich eigentlich gar keine Ferien mehr machen kann.

Die ursprüngliche Idee zur sommer.frische.kunst wurde von kreativen Freigeistern im Ort wie Olaf Krohne und Ike Ikrath sowie dem Berliner Kreativdirektor Jork-André Dieter in Zusammenarbeit mit dem Kunstbüro Ulli Sturm gefasst. Du wurdest im 2. Jahr als Kuratorin des Artist in Residence Programms „kunstresidenz“ ins Boot geholt und hast das Ganze mit deinem internationalen Netzwerk auf ein neues Level gehoben. Zahlreiche hochkarätige Künstler fanden durch dich ihren Weg nach Bad Gastein. Welche Künstler und Begegnungen waren rückblickend deine Höhepunkte? Es gab die Idee der sommer.frische.kunst und das wurde gemeinsam mit einer Berliner Agentur umgesetzt, die uns auch heute noch begleitet. Als ich gesehen habe, welchen Weg der Ort gehen möchte, nämlich Kunst zu etablieren, habe ich ein Treffen mit Frau Höhenwarter organisiert und ihr mein Konzept der sfk präsentiert und sie überzeugt, dass wir eine Kunstresidenz gründen sollten, mein Traumort dafür war das alte Kraftwerk am Wasserfall. Die Kunst samt dem Stipendiatenprogramm der kunstresidenz und den jährlich wachsenden Ausstellungen hat sich aber in den letzten Jahren zum Höhepunkt entwickelt. Das Kraftwerk am Wasserfall, in dem die Künstler ihre Studios haben, war noch im Dornröschenschlaf und stand jahrelang leer. Nach behutsamen Renovierungsarbeiten erstrahlt das denkmalgeschütze Gebäude in neuem Glanz und alle „kreativen Geister“ haben zur Belebung beigetragen.

Art Weekend Bad Gastein

Im Vergleich zu heute: Wie war die Stimmung im Ort als du ankamst? Das Gefühl des Aufbruchs war damals genauso vorhanden wie heute. Vielleicht ein bisschen ruhiger, da nicht so viele Menschen vor Ort waren und ihren Traum erfüllen wollten. Das Leben in den Großstädten, gerade für Kreative ist hart; man kämpft sich durch. Bad Gastein zeigt sich immer wieder als ein Ort der unbegrenzten Möglichkeiten. Aber das stimmt so auch nicht. Es gehört viel Mut und Fließ dazu, Visionen umzusetzen. Potenzial gibt es, wie wir alle wissen, genug und Ideen auch, aber wie immer im Leben braucht es dann am Ende doch finanzielle Mittel, Investoren die das Ganze umsetzen. Alle kreativen Geister Bad Gasteins, mit Cafés, Geschäften und Hotels haben ihren Traum erfüllt und damit den Nährboden geschaffen, damit der Ort den nächsten Schritt gehen kann. Auch die sfk. Es wird zu einer Gentrifizierung in den Bergen kommen.

Jeppe Hein’s Modified Social Bench

Bad Gastein war schon immer ein Ort der Hochkultur. Eine Stadt der Kontraste. Viele Orte versuchen sich im Kunstfestivalmarkt mitzumischen, scheitern aber an Beliebigkeit und Banalität in der Kuration. Du bist mutig den Weg der zeitgenössischen und der jungen Kunst gegangen, anfangs auch begleitet von einem Schmunzeln der Locals – mittlerweile feiert die internationale Presse den Ort und das SFK-Kunstfestival und ihr habt den Zipfer-Tourismuspreis gewonnen. Hättest du je geglaubt, dass ihr es so weit schafft? Bad Gastein hatte gute Vorraussetzungen und Alleinstellungsmerkmale um neu zu denken: Die Menschen, das Skurrile und viel Platz für neue Ideen. Umgekehrt galt das Gleiche: Die Kunstszene braucht neue Ideen und ist „open minded“, da war noch Platz für die sommer.frische.kunst. Denn die Kombination raus aus den Messehallen und der Stadt und rauf auf den Berg und trotzdem spannende Positionen an ungewöhnlichen Orten sehen zu können, das ist glaube ich die Mischung, die uns so erfolgreich macht. Und natürlich das Durchhalten. Es ist kein „Sommerprojekt“ für mich, denn eigentlich arbeite ich das ganze Jahr daran, dass die nächste sommer.frische.kunst ein Knaller wird. Es war nie meine Intention, den Ort Bad Gastein beziehungsweise alle Einwohner zu Kunstfans zu machen. Aber es freut mich natürlich sehr, wenn auch nicht so kunstaffine Menschen zum Kraftwerk kommen und sich anschauen, was dort passiert. Kunst gehört nicht in einen Elfenbeinturm, sondern darf auch Freude machen. Für die jährliche Umsetzung habe ich meine Partner, die von Anfang an hinter der Idee standen und es immer noch tun und das ist das Wichtigste. Allen voran der Tourismusverband, der die sommer.frische.kunst großteils finanziert und das Projekt mit viel Engagement unterstützt.

Wenn du in die Zukunft von Bad Gastein schaust, was würdest du dir in Bezug auf SFK wünschen? Du meintest mal es darf nicht zu BIG werden? Ich denke, dass wir dieses Jahr ein Level erreicht haben, dessen Niveau zu halten unser Ziel sein sollte. Damit werden wir auch auf dem internationalen Markt ernst genommen. Genau die richtige Mischung aus junger internationaler Kunst, namhaften Positionen und ein Mix aus spannenden Menschen. Unser Programm für das Artweekend, das seinen Platz am letzten Juliwochenende etabliert hat, ist voll, von Donnerstag bis Sonntag.

Copyright Text & Fotos: Nadin Brendel und Thomas Neukum für Studio5640.com in Bad Gastein

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